Frage des Monats vom Oktober 2011
? Ein Architekt, 42 Jahre alt, hat nach 6jähriger Anfallsfreiheit erneut einen komplex-fokalen Anfall in den Abendstunden. Aufgrund seines Fahrverbotes kann er die Fahrten mit dem PKW zu seinen Baustellen nicht mehr durchführen.

Mit wievielen Monaten Fahrverbot muss der Architekt rechnen und welche Hilfen kann er bekommen, wenn er während seiner Arbeitstätigkeit gelegentlich fahren muss, aber noch nicht fahrgeeignet ist?
Prof. Dr. Karsten Krakow, Asklepios
Neurologische Klinik Falkenstein:

Dr. Karsten Krakow Grundlage zur Beurteilung der Fahreignung von Menschen mit epileptischen Anfällen sind die „Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung“ in der Fassung von 2009. Für die Beurteilung muss zunächst zwischen zwei Gruppen von Fahrzeugen unterschieden werden: Vereinfacht gesagt umfasst Gruppe 1 PKW und Motorräder, Gruppe 2 Kraftfahrzeuge über 3,5 t sowie Fahrgastbeförderung.
Im dem geschilderten Fall lag bei dem Architekten vor dem erwähnten komplex-fokalen Anfall bereits eine Fahreignung vor, da er zuvor mehr als ein Jahr anfallsfrei war. Dafür spielt keine Rolle, ob dies mit oder ohne  Einnahme von Antiepileptika erreicht wurde. Kommt es bei gegebener Fahreignung zu einem einmaligen weiteren (unprovozierten) Anfall, so muss ein Beobachtungszeitraum von sechs Monaten eingehalten werden, bevor wieder ein Kraftfahrzeug der Gruppe 1 geführt werden darf. Eine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 2 würde nach mehr als zwei epileptischen Anfällen dagegen erst wieder nach einer fünfjährigen Anfallsfreiheit ohne antiepileptische Behandlung vorliegen.


Epilepsieberater Bernhard Brunst
:
Bernhard Bruinst Für Menschen mit Epilepsien, die beruflich auf den PKW angewiesen sind und keine Fahreignung besitzen, sieht das Sozialgesetzbuch IX zwei Hilfen vor, die Kraftfahrzeughilfe nach § 33 Absatz 8 Nr. 1 und die Arbeitsassistenz nach § 33 Absatz 8 Nr. 3 sowie § 102 Nr. 4 SGB IX.
Im Falle des angestellten Architekten gehen wir davon aus, dass er den Weg zu seinem Büro gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen kann. Er besitzt einen Schwerbehindertenausweis mit GdB 50. Für die Zeit seiner fehlenden Fahreignung beantragt er beim zuständigen Integrationsamt "Arbeitsassistenz zur Erhaltung eines Arbeitsplatzes (§ 102 Absatz 4 SGB IX) für die gelegentlichen Fahrten zu seinen Baustellen. Die Arbeitsassistenz setzt voraus, dass der Betroffene in der Lage ist, den prägenden Kernbereich des Beschäftigungsverhältnisses selbstständig zu erledigen. Die Leistungen werden gewährt, weil das Autofahren nicht wesentlicher Bestandteil der beruflichen Tätigkeit ist.

Die Arbeitsassistenz kann auf Antrag in drei unterschiedlichen Modellen gewährt werden:

  1. Im Arbeitgebermodell stellt der Beschäftigte mit Epilepsie eine Person ein, die ihn fährt.

  2. Im Dienstleistungsmodell lässt der Arbeitnehmer die notwendige Leistung durch einen Dienstleister, z. B. einen Taxiunternehmer, erbringen.

  3. Im dritten Modell wird die Arbeitsassistenz über den Arbeitgeber abgewickelt, der eine Person beauftragt, die Assistenz zu leisten. Die dadurch entstehenden Kosten werden ihm als "besonderer Betreuungsaufwand" vom Kostenträger erstattet. Die Abwicklung erfolgt über das Integrationsamt.

Quellen: Epilepsie und Führerschein - Günter Krämer, Rupprecht Thorbecke,
Thomas Porschen, 2011 Hippocampus Verlag Bad Honnef

Kraftfahrzeughilfen: www.integrationsamt-hessen.de

Für weitere Fragen zum Thema Arbeitsassistenz und Kraftfahrzeughilfen steht Ihnen unser Fachberater Bernhard Brunst gerne zur Verfügung.

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